Meinungsfreiheit in Zeiten von Krieg und Krisen in Österreich

Wie verändert sich der Diskurs in Ausnahmezuständen? Einschränkungen im Namen der nationalen Sicherheit

Autor: Manus AI – Datum: 4. Juli 2025

Meinungsfreiheit in Österreich während Krieg und Krise, Zensur durch Gewalt, zerstörte Stadt, Flagge.

Zusammenfassung

Die Meinungsfreiheit als fundamentales Grundrecht steht in Österreich seit jeher in einem Spannungsfeld zwischen demokratischen Idealen und staatlichen Sicherheitsinteressen. Dieser umfassende Bericht untersucht, wie sich der Diskurs über Meinungsfreiheit in Zeiten von Krieg und Krisen verändert und welche Einschränkungen im Namen der nationalen Sicherheit gerechtfertigt werden. Die Analyse zeigt, dass Österreich eine komplexe Geschichte von Zensur und Pressefreiheit aufweist, die von der Monarchie über den Ständestaat bis zur modernen Republik reicht. Besonders in Krisenzeiten wie der COVID-19-Pandemie zeigen sich neue Herausforderungen für die Meinungsfreiheit, die grundlegende Fragen über das Verhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit aufwerfen.

1. Einleitung

Die Meinungsfreiheit gilt als eines der fundamentalsten Menschenrechte und bildet das Rückgrat jeder demokratischen Gesellschaft. In Österreich ist dieses Recht seit 1867 verfassungsrechtlich verankert und hat eine bewegte Geschichte durchlaufen, die von Phasen der Unterdrückung bis hin zur vollständigen Etablierung reicht. Doch gerade in Zeiten von Krisen, Kriegen und gesellschaftlichen Umbrüchen gerät dieses Grundrecht unter Druck und wird zum Gegenstand intensiver politischer und rechtlicher Debatten.

Die vorliegende Untersuchung widmet sich der Frage, wie sich der Diskurs über Meinungsfreiheit in Österreich während Ausnahmezuständen verändert und welche Einschränkungen im Namen der nationalen Sicherheit gerechtfertigt werden. Dabei wird sowohl die historische Entwicklung als auch die aktuelle Situation analysiert, um ein umfassendes Bild der Herausforderungen zu zeichnen, denen die Meinungsfreiheit in Krisenzeiten ausgesetzt ist.

Die Relevanz dieser Thematik zeigt sich nicht zuletzt in den jüngsten Entwicklungen während der COVID-19-Pandemie, als Demonstrationsverbote und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zu kontroversen Diskussionen über die Grenzen staatlicher Macht führten. Amnesty International warnte bereits 2025 vor einer zunehmenden Bedrohung der Meinungsfreiheit in Österreich und kritisierte die Entstehung eines „öffentlichen Narrativs“, das Protest grundsätzlich als verwerflich darstellt.

Diese Analyse verfolgt das Ziel, die komplexen Mechanismen zu verstehen, durch die Meinungsfreiheit in Krisenzeiten eingeschränkt wird, und die langfristigen Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die demokratische Kultur Österreichs zu bewerten. Dabei werden sowohl rechtliche als auch gesellschaftliche Aspekte berücksichtigt, um ein vollständiges Bild der aktuellen Herausforderungen zu zeichnen.

2. Rechtliche Grundlagen der Meinungsfreiheit in Österreich

2.1 Verfassungsrechtliche Verankerung

Die Meinungsfreiheit in Österreich ruht auf einem soliden verfassungsrechtlichen Fundament, das sich aus mehreren Rechtsquellen speist. Das zentrale Element bildet Artikel 13 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG) aus dem Jahr 1867, der in seinem Wortlaut besagt: „Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern.“ [1]

Diese Formulierung ist bemerkenswert, da sie bereits im 19. Jahrhundert eine umfassende Definition der Meinungsäußerungsfreiheit enthielt, die verschiedene Kommunikationsformen einschloss. Der Zusatz „innerhalb der gesetzlichen Schranken“ macht jedoch deutlich, dass die Meinungsfreiheit von Anfang an nicht als absolutes Recht konzipiert war, sondern gesetzlichen Einschränkungen unterworfen werden konnte.

Ergänzend zu Artikel 13 StGG gewährleistet der zweite Absatz desselben Artikels die Pressefreiheit: „Die Presse darf weder unter Censur gestellt, noch durch das Concessions-System beschränkt werden. Administrative Postverbote finden auf inländische Druckschriften keine Anwendung.“ [1] Diese Bestimmung war für ihre Zeit revolutionär, da sie explizit Zensur und das Konzessionssystem für Druckschriften verbot.

2.2 Europäische Menschenrechtskonvention

Mit dem Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wurde die Meinungsfreiheit in Österreich zusätzlich durch Artikel 10 EMRK geschützt, der einen umfassenderen Schutz bietet als das nationale Recht. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gewährt die EMRK dabei einen größeren Rechtsschutz als die nationalen Bestimmungen. [2]

Artikel 10 EMRK definiert die Meinungsfreiheit als das Recht auf freie Meinungsäußerung, das „die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen“ umfasst. Gleichzeitig erlaubt Absatz 2 dieser Bestimmung Einschränkungen, die „in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verhütung von Straftaten, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes des Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind.“

2.3 Verfassungsgerichtliche Rechtsprechung

Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung die Bedeutung der Meinungsfreiheit als „wesentlicher Baustein eines funktionierenden Rechtsstaats“ betont. [3] Ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht ist nach der Definition des Gerichtshofs „ein subjektiv-öffentliches Recht, das dem Einzelnen durch eine Rechtsvorschrift im Verfassungsrang eingeräumt ist.“ [2]

Die Durchsetzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten erfolgt vor dem Verfassungsgerichtshof insbesondere durch Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG oder durch einen Antrag auf Verordnungs- oder Gesetzesprüfung (Art. 139 und 140 B-VG). Diese Mechanismen stellen sicher, dass Verletzungen der Meinungsfreiheit gerichtlich überprüft werden können.

2.4 Gesetzliche Schranken und Einschränkungsmöglichkeiten

Die in Artikel 13 StGG erwähnten „gesetzlichen Schranken“ bilden den rechtlichen Rahmen für Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Diese Einschränkungen müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen:

Gesetzliche Grundlage: Jede Einschränkung muss auf einem formellen Gesetz beruhen, das vom Parlament beschlossen wurde. Administrative Maßnahmen ohne gesetzliche Grundlage sind unzulässig.

Legitimes Ziel: Die Einschränkung muss einem der in der EMRK oder der Verfassung anerkannten Ziele dienen, wie dem Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung oder der Rechte anderer.

Verhältnismäßigkeit: Die Maßnahme muss zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein. Weniger einschneidende Mittel müssen vorrangig geprüft werden.

Demokratische Notwendigkeit: In einer demokratischen Gesellschaft muss die Einschränkung als notwendig erachtet werden können.

Diese Kriterien bilden den rechtlichen Rahmen, innerhalb dessen staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit beurteilt werden. In Krisenzeiten gerät jedoch gerade die Anwendung dieser Kriterien unter besonderen Druck, da die Abwägung zwischen Sicherheitsinteressen und Grundrechten komplexer wird.

3. Historische Entwicklung: Meinungsfreiheit in Krisenzeiten

3.1 Die Anfänge: Revolution von 1848 und Staatsgrundgesetz 1867

Die Geschichte der Meinungsfreiheit in Österreich ist untrennbar mit den politischen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts verbunden. Die Revolution von 1848 markierte einen Wendepunkt, als erstmals Forderungen nach Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Redefreiheit laut wurden – Rechte, die heute als selbstverständlich gelten, damals jedoch revolutionäre Ideen darstellten. [4]

Der Kampf um die Pressefreiheit in Österreich ging weit zurück und war geprägt von langen Phasen, in denen kritische Bücher oder Schriften verboten waren. Zwischen diesen repressiven Perioden gab es immer wieder kurze Phasen, in denen die Zensur gelockert wurde, was die instabile Natur der Meinungsfreiheit in der Monarchie verdeutlichte. [5]

Das Staatsgrundgesetz von 1867 stellte schließlich einen Meilenstein dar, indem es die Meinungsfreiheit erstmals verfassungsrechtlich verankerte. Diese Errungenschaft war jedoch nicht das Ergebnis einer friedlichen Entwicklung, sondern entstand aus den politischen Krisen und gesellschaftlichen Spannungen der Zeit.

3.2 Der Erste Weltkrieg und die Kriegszensur

Der Erste Weltkrieg brachte eine drastische Wende in der Behandlung der Meinungsfreiheit. Die Pressefreiheit wurde suspendiert und durch ein weitreichendes Netz der Kriegszensur ersetzt. [6] Diese Maßnahmen wurden mit der Notwendigkeit begründet, die nationale Sicherheit zu schützen und die Kriegsanstrengungen zu unterstützen.

Die Zensur während des Ersten Weltkriegs war umfassend und betraf nicht nur die Presse, sondern auch private Korrespondenz. Nach der Reformierung der Briefzensur im Jahr 1916 wurden Sortierstellen eingerichtet, um die enorme Masse an Briefsendungen zensurieren zu können. [7] Diese Maßnahmen zeigten, wie schnell und umfassend Grundrechte in Krisenzeiten eingeschränkt werden konnten.

3.3 Die Erste Republik und ihre Herausforderungen (1918-1933)

Mit der Gründung der Ersten Republik im Jahre 1918 wurde die Pressefreiheit wieder eingeführt. [5] Diese Periode war jedoch von politischen Spannungen und wirtschaftlichen Krisen geprägt, die das junge demokratische System unter Druck setzten. Die Meinungsfreiheit musste sich in einem Umfeld behaupten, das von extremen politischen Gegensätzen und gesellschaftlicher Polarisierung gekennzeichnet war.

Die Weimarer Verfassung, die als Vorbild für viele europäische Demokratien diente, regelte in Artikel 118 die Meinungsfreiheit und zeigte, wie andere Länder mit ähnlichen Herausforderungen umgingen. [8] Diese internationale Perspektive verdeutlichte, dass die Spannungen zwischen Meinungsfreiheit und staatlicher Autorität ein gesamteuropäisches Phänomen waren.

3.4 Der autoritäre Ständestaat (1933-1938)

Eine der dunkelsten Perioden für die Meinungsfreiheit in Österreich begann 1933 mit der Ausschaltung des Parlaments durch Bundeskanzler Dollfuß. Die ökonomische und politische Krise verschränkten sich, und nach der Parlamentsausschaltung wurde auf Basis des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes regiert. [9]

In dieser Zeit wurde die Zensur wieder eingeführt, und oppositionelle Medien wurden systematisch verboten. [5] Der autoritäre Ständestaat demonstrierte, wie schnell demokratische Institutionen abgebaut und Grundrechte außer Kraft gesetzt werden konnten, wenn politische Krisen als Rechtfertigung für autoritäre Maßnahmen dienten.

Diese Periode ist besonders relevant für das Verständnis moderner Herausforderungen, da sie zeigt, wie wirtschaftliche und politische Krisen als Vorwand für die Einschränkung von Grundrechten genutzt werden können. Die Rhetorik der „nationalen Notwendigkeit“ und des „Staatsschutzes“ wurde verwendet, um Maßnahmen zu rechtfertigen, die das demokratische System fundamental untergruben.

3.5 Nationalsozialismus und totale Kontrolle (1938-1945)

Die Zeit des Nationalsozialismus stellte den absoluten Tiefpunkt für die Meinungsfreiheit in Österreich dar. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde jede Form der freien Meinungsäußerung systematisch unterdrückt. Die NS-Propaganda übernahm die vollständige Kontrolle über die öffentliche Meinungsbildung, und jede abweichende Stimme wurde brutal verfolgt.

Diese Periode verdeutlichte die extremen Konsequenzen, die entstehen können, wenn Meinungsfreiheit vollständig abgeschafft wird. Die totale Kontrolle über Information und Meinungsbildung war ein zentrales Element des totalitären Systems und zeigte, wie die Unterdrückung der Meinungsfreiheit zur Zerstörung der gesamten demokratischen Kultur führen kann.

3.6 Nachkriegszeit und alliierte Kontrolle (1945-1955)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befand sich Österreich unter alliierter Besatzung, was neue Herausforderungen für die Meinungsfreiheit mit sich brachte. Die Alliierten setzten 1945 eine „Österreichische Zensurstelle“ ein, die bis 1953 die Briefpost zensurierte. [10] Diese Maßnahme zeigt, dass auch die Befreier Österreichs die Notwendigkeit sahen, die Kommunikation zu kontrollieren.

Nach der totalitären NS-Propaganda waren die Österreicher hungrig nach Nachrichten, doch Zeitungen waren im Frühjahr 1945 Mangelware. [11] Die gesamte Medienlandschaft stand unter der Kontrolle der alliierten Propaganda- und Informationsapparate, was verdeutlichte, wie Besatzungsmächte die Meinungsbildung zu steuern suchten. [12]

Die Briefzensur wurde in Österreich fast bis zur Unabhängigkeit im Jahre 1955 aufrechterhalten, was zeigt, wie lange es dauerte, bis die volle Meinungsfreiheit wiederhergestellt war. [13] Diese Periode demonstrierte, dass selbst nach der Befreiung von einem totalitären Regime die Wiederherstellung der Meinungsfreiheit ein langwieriger Prozess sein kann.

3.7 Kalter Krieg und Neutralität

Die Zeit des Kalten Krieges brachte neue Herausforderungen für die Meinungsfreiheit mit sich. Österreichs Neutralität, die in den 1950er-Jahren eher ungeliebt war, entwickelte sich zu einem zentralen Element des nationalen Selbstverständnisses. [14] Diese Neutralität hatte jedoch auch Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit, da bestimmte politische Positionen als problematisch für die neutrale Haltung des Landes angesehen werden konnten.

Der Kalte Krieg und die Neutralität hinterließen Spuren in der politischen Kultur Österreichs, einschließlich der Entstehung der „großen Koalition“ als Konsensmodell. [15] Diese Entwicklung zeigt, wie internationale Krisen und geopolitische Spannungen die innenpolitische Diskussionskultur beeinflussen können.

4. Aktuelle Herausforderungen: Die COVID-19-Pandemie als Wendepunkt

4.1 Die Pandemie als Katalysator für Grundrechtseinschränkungen

Die COVID-19-Pandemie stellte eine beispiellose Herausforderung für die Meinungsfreiheit in Österreich dar und führte zu Diskussionen über die Grenzen staatlicher Macht in Krisenzeiten. Die Pandemie wirkte als Katalysator für Maßnahmen, die zuvor undenkbar gewesen wären, und veränderte fundamental die Art, wie über Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht diskutiert wird.

Das Epidemiegesetz von 1950 bildete zusammen mit dem COVID-19-Maßnahmengesetz die rechtliche Grundlage für weitreichende Einschränkungen. [16] Diese Gesetze ermöglichten es den Behörden, Versammlungen zu verbieten und die Bewegungsfreiheit einzuschränken, was direkte Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit hatte.

4.2 Demonstrationsverbote und ihre Rechtfertigung

Ein besonders kontroverser Aspekt der Pandemie-Maßnahmen waren die systematischen Demonstrationsverbote. Im Januar 2021 erreichte diese Entwicklung einen Höhepunkt, als von 17 angemeldeten Demonstrationen für den 30. und 31. Januar 15 von der Landespolizeidirektion Wien untersagt wurden. [17]

Die Begründung der Polizei war bemerkenswert in ihrer Pauschalität: „Die Erfahrungen der letzten Wochen bei Versammlungen dieser Art haben gezeigt, dass weite Teile von Versammlungsteilnehmern das Gebot des Tragens eines eng anliegenden Mund- und Nasenschutzes sowie die Einhaltung des Mindestabstands schlichtweg ignorieren, sodass geradezu erwartbar ist, dass es bei diesen Versammlungen zu Gesetzwidrigkeiten in großem Ausmaß kommen wird.“ [17]

Diese Argumentation war problematisch, da sie eine Kollektivhaftung für das Verhalten einzelner Teilnehmer etablierte und das Demonstrationsrecht faktisch von der Bereitschaft der Teilnehmer abhängig machte, sich an alle Regeln zu halten. Wie Kritiker anmerkten: „Dass es bei größeren Menschenmengen zu Gesetzesverstößen kommt, lässt sich ja nie ganz ausschließen. Nicht zuletzt deshalb wird der Protest auf der Straße für gewöhnlich von der Polizei begleitet.“ [17]

4.3 Verfassungsrechtliche Bewertung der Maßnahmen

Die verfassungsrechtliche Bewertung der Demonstrationsverbote war umstritten. Während der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger argumentierte, dass aufgrund der Pandemie für die Polizei ein größerer Spielraum bestehe als sonst, widersprach sein Kollege Bernd-Christian Funk: Wenn der Veranstalter erkläre, sich an die Regeln halten zu wollen, sei ein Verbot problematisch. [17]

Diese Meinungsverschiedenheit unter Verfassungsexperten verdeutlichte die Komplexität der rechtlichen Bewertung und zeigte, dass selbst in der Rechtswissenschaft keine Einigkeit über die Grenzen staatlicher Macht in Pandemiezeiten herrschte.

Der Verfassungsgerichtshof bestätigte zwar grundsätzlich die Verfassungskonformität des COVID-19-Gesetzes, betonte jedoch, dass bei Entscheidungen die Behörden an die Grundrechte gebunden seien, insbesondere an das Recht auf persönliche Freizügigkeit. [18] Diese Entscheidung verdeutlichte, dass auch in Krisenzeiten die Grundrechte nicht vollständig außer Kraft gesetzt werden können.

4.4 Die Entstehung eines neuen Diskurses über Protest

Ein besonders beunruhigender Aspekt der Pandemie-Zeit war die Entstehung dessen, was Amnesty International als „öffentliches Narrativ“ bezeichnete, „laut dem Protest grundsätzlich verwerflich, beinahe schon kriminell ist.“ [19] Diese Entwicklung ging weit über die konkreten Pandemie-Maßnahmen hinaus und betraf die grundsätzliche gesellschaftliche Einstellung zum Demonstrationsrecht.

Shoura Hashemi, die Geschäftsführerin von Amnesty Österreich, warnte: „Es wird versucht, eine bestimmte Form von friedlichem Protest behördlich zu unterbinden.“ [19] Diese Einschätzung bezog sich nicht nur auf Pandemie-Proteste, sondern auch auf Klimaaktivismus und andere Formen des zivilen Ungehorsams.

4.5 Primärstrafen und Verwaltungshaft

Eine besonders problematische Entwicklung war die erstmalige Verhängung von Primärstrafen ohne vorangegangene Gerichtsverfahren im Jahr 2024. [19] Diese Primärstrafen stellen die schwerste Strafart im Verwaltungsstrafrecht dar und können zu Gefängnis- und Geldstrafen führen, auf deren Basis Betroffene einige Tage in Haft verbringen können.

Amnesty International kritisierte diese Praxis scharf: „Eine solche Verwaltungshaft sei aus menschenrechtlicher Sicht abzulehnen.“ [19] Die Möglichkeit, Menschen ohne Gerichtsverfahren zu inhaftieren, stellt einen fundamentalen Eingriff in rechtsstaatliche Prinzipien dar und zeigt, wie sich die Behandlung von Protesten während der Pandemie verschärft hat.

4.6 Auswirkungen auf spezifische Protestformen

Besonders betroffen von den neuen restriktiven Maßnahmen waren Klimaaktivisten, insbesondere die Gruppe „Letzte Generation“. Gegen Aktivisten dieser Bewegung wurden teils harte Strafen verhängt, und sie wurden von Politikern regelmäßig diskreditiert. [19] Diese Entwicklung zeigt, wie sich der während der Pandemie etablierte restriktive Umgang mit Protesten auf andere gesellschaftliche Bewegungen ausgeweitet hat.

Zahlreiche Aktionen im Rahmen der Klimaproteste fielen unter zivilen Ungehorsam und seien von der Versammlungsfreiheit gedeckt, argumentierte Amnesty International. [19] Die Tatsache, dass solche Proteste zunehmend kriminalisiert werden, deutet auf eine grundlegende Verschiebung in der Bewertung des Demonstrationsrechts hin.

4.7 Internationale Perspektive

Die Entwicklungen in Österreich stehen nicht isoliert da. Amnesty International berichtete, dass mindestens 21 Staaten im Jahr 2023 Gesetze oder Gesetzesentwürfe einbrachten, die auf die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung oder ein Verbot von Medienunternehmen abzielten. [19] Diese internationale Dimension zeigt, dass die Herausforderungen für die Meinungsfreiheit ein globales Phänomen darstellen.

Die Pandemie diente in vielen Ländern als Rechtfertigung für die Einschränkung von Grundrechten, was die Befürchtung nährt, dass die COVID-19-Krise als Blaupause für den Umgang mit zukünftigen Extremsituationen dienen könnte. Diese Entwicklung ist besonders beunruhigend, da sie zeigt, wie temporäre Krisenmaßnahmen zu dauerhaften Veränderungen in der Behandlung von Grundrechten führen können.

5. Rechtliche Instrumente in Krisenzeiten

5.1 Das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) als zentrales Instrument

Das Sicherheitspolizeigesetz von 1993 bildet das Rückgrat der österreichischen Sicherheitsverwaltung und regelt sowohl die Organisation der Sicherheitsverwaltung als auch die Ausübung der Sicherheitspolizei. [20] Dieses Gesetz enthält verschiedene Bestimmungen, die in Krisenzeiten zur Einschränkung von Grundrechten herangezogen werden können.

Das SPG definiert die Sicherheitsverwaltung als bestehend aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und Meldewesen, der Fremdenpolizei und der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet. [21] Diese umfassende Definition zeigt, wie weitreichend die Befugnisse der Sicherheitsbehörden sind und wie sie verschiedene Aspekte des gesellschaftlichen Lebens beeinflussen können.

5.2 Versammlungsauflösung und polizeiliche Befugnisse

Ein besonders relevanter Aspekt des SPG sind die Bestimmungen zur Auflösung von Versammlungen. Während § 35 SPG sich auf die Identitätsfeststellung bezieht, regeln andere Paragraphen die Auflösung von Besetzungen und Versammlungen. § 37 SPG ermächtigt die Sicherheitsbehörden zur Auflösung von Besetzungen, wenn diese zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung notwendig ist oder einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Besitzers darstellt. [22]

Die Versammlungsfreiheit stellt ein zentrales Grundrecht dar, das neben der Beteiligung an Wahlen und der Inanspruchnahme der Formen direkter Demokratie einen wesentlichen Baustein der demokratischen Teilhabe bildet. [23] Die Spannung zwischen diesem Grundrecht und den polizeilichen Befugnissen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zeigt sich besonders deutlich in Krisenzeiten.

5.3 Das Epidemiegesetz als Krisenrecht

Das Epidemiegesetz von 1950 wurde als Grundlage zur Erkennung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen, mit dem Ziel, die Ausbreitung von Infektionskrankheiten zu verhindern. [24] Während der COVID-19-Pandemie erwies sich dieses Gesetz als zentrales Instrument für weitreichende Grundrechtseinschränkungen.

Das Gesetz bestimmt Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung, Verhütung und Bekämpfung abschließend aufgezählter übertragbarer Krankheiten. [25] Die Anwendung dieser Bestimmungen während der Pandemie zeigte jedoch, wie ein ursprünglich für medizinische Zwecke konzipiertes Gesetz zur Einschränkung politischer Rechte verwendet werden kann.

5.4 Verfassungsrechtliche Grenzen und Kontrolle

Trotz der weitreichenden Befugnisse, die Krisengesetze den Behörden einräumen, bleiben diese an verfassungsrechtliche Grenzen gebunden. Bei Entscheidungen sind die Behörden an die Grundrechte gebunden, insbesondere an das Recht auf persönliche Freizügigkeit und die Versammlungsfreiheit. [18]

Der Verfassungsgerichtshof hat betont, dass auch in Krisenzeiten die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss. Eingriffe in Grundrechte müssen eine gesetzliche Grundlage haben, ein legitimes Ziel verfolgen und verhältnismäßig sein. Diese Prinzipien bilden die verfassungsrechtliche Schranke gegen willkürliche Machtausübung.

5.5 Europäische Kontrolle und EGMR-Rechtsprechung

Eine besonders problematische Entwicklung zeigt sich in der Tatsache, dass Österreich führend bei den Verurteilungen wegen Verletzung der Meinungsfreiheit beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist. [26] Diese Statistik deutet darauf hin, dass die nationalen Gerichte und Behörden die Standards der Meinungsfreiheit nicht immer angemessen anwenden.

Der EGMR kam in verschiedenen Fällen zu dem Ergebnis, dass die nationalen Gerichte die Meinungsfreiheit von Beschwerdeführern verletzt haben, da die Einschränkung der Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt war. [27] Diese internationale Kontrolle bildet einen wichtigen Schutz gegen übermäßige Einschränkungen der Meinungsfreiheit.

5.6 Das NS-Verbotsgesetz als historisches Erbe

Ein besonderer Aspekt der österreichischen Rechtslage ist das NS-Verbotsgesetz, das Zensurmaßnahmen beinhaltet und auf dem Zweiten Weltkrieg beruht. [28] Dieses Gesetz zeigt, wie historische Erfahrungen mit totalitären Systemen zu dauerhaften Einschränkungen der Meinungsfreiheit führen können.

Während das Verbot nationalsozialistischer Wiederbetätigung grundsätzlich berechtigt ist, zeigt die Existenz dieses Gesetzes, wie schwierig die Balance zwischen dem Schutz der Demokratie und der Gewährleistung umfassender Meinungsfreiheit ist. Die Anwendung solcher Gesetze erfordert besondere Sorgfalt, um nicht über das notwendige Maß hinauszugehen.

5.7 Resilienz des Rechts in Krisenzeiten

Das österreichische Innenministerium hat sich in einer wissenschaftlichen Stellungnahme mit der „Resilienz des Rechts in Krisenzeiten“ beschäftigt. [29] Diese Analyse zeigt das Bewusstsein der Behörden für die Herausforderungen, die Krisen für das Rechtssystem darstellen.

Die Frage der Resilienz ist zentral für das Verständnis, wie demokratische Systeme Krisen überstehen können, ohne ihre grundlegenden Werte zu opfern. Die Meinungsfreiheit spielt dabei eine besondere Rolle, da sie sowohl ein Indikator für die Gesundheit der Demokratie als auch ein Instrument für ihre Verteidigung ist.

6. Gesellschaftliche Auswirkungen und Diskurswandel

6.1 Die Veränderung der Protestkultur

Die Ereignisse der letzten Jahre haben zu einer fundamentalen Veränderung der österreichischen Protestkultur geführt. Was einst als selbstverständliches demokratisches Recht galt, wird zunehmend problematisiert und in Frage gestellt. Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in der rechtlichen Behandlung von Protesten, sondern auch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und medialen Darstellung.

Die Bilanz eines Wochenendes mit Demonstrationsverboten im Januar 2021 verdeutlichte die Problematik: „Rund 2000 Anzeigen, 13 Festnahmen, vier leicht verletzte Polizisten, gegenseitige politische Schuldzuweisungen und Tausende Menschen, die mehr oder weniger chaotisch durch die Stadt marschierten: Das ist die Bilanz eines Wochenendes, an dem in Wien demonstriert wurde, obwohl das Demonstrieren eigentlich verboten war. Als einen Triumph des demokratischen Rechtsstaates kann man dieses Ergebnis eher nicht werten.“ [17]

6.2 Die Kriminalisierung des zivilen Ungehorsams

Ein besonders beunruhigender Trend ist die zunehmende Kriminalisierung des zivilen Ungehorsams. Während solche Aktionen traditionell als legitime Form des politischen Protests angesehen wurden, werden sie heute zunehmend als Straftaten behandelt. Dies zeigt sich besonders deutlich bei Klimaprotesten, wo Aktivisten mit harten Strafen konfrontiert werden.

Die Diskussion um die Rechtfertigung von Klimaaktionismus verdeutlicht diese Problematik. Während die Meinungsfreiheit unter engen Voraussetzungen strafbares Verhalten erlauben kann, werden im Fall von Schäden durch Protestaktionen, etwa in Museen, die Grenzen des Zulässigen überschritten. [30] Diese Abwägung zwischen dem Recht auf Protest und dem Schutz von Eigentum und öffentlicher Ordnung wird zunehmend zugunsten der Ordnung entschieden.

6.3 Mediale Darstellung und öffentliche Meinung

Die mediale Darstellung von Protesten hat sich ebenfalls gewandelt. Während einige Medien die Demonstrationsverbote während der Pandemie kritisierten, lobten andere die Entscheidungen mit dem Argument, dass „Gesundheit nun mal vor“ gehe. [17] Diese unterschiedlichen Bewertungen zeigen, wie gespalten die öffentliche Meinung über die Grenzen der Meinungsfreiheit ist.

Die Entstehung eines Narrativs, das Protest grundsätzlich als problematisch darstellt, hat weitreichende Auswirkungen auf die demokratische Kultur. Wenn Proteste nicht mehr als legitime Form der politischen Teilhabe, sondern als Störung der öffentlichen Ordnung wahrgenommen werden, verändert sich das Fundament der demokratischen Gesellschaft.

6.4 Auswirkungen auf die politische Partizipation

Die Einschränkungen der Meinungsfreiheit haben direkte Auswirkungen auf die politische Partizipation. Wenn Menschen befürchten müssen, für ihre Meinungsäußerungen bestraft zu werden, führt dies zu einem „Chilling Effect“ – einer Selbstzensur, die über die rechtlichen Beschränkungen hinausgeht.

Umfragen zeigen, dass sich immer mehr Menschen in ihrer Meinungsfreiheit eingeschränkt fühlen, obwohl die rechtliche Gewährleistung durch das Grundgesetz unverändert bleibt. [31] Diese subjektive Wahrnehmung ist ebenso wichtig wie die objektiven rechtlichen Rahmenbedingungen, da sie das tatsächliche Verhalten der Menschen beeinflusst.

6.5 Die Rolle sozialer Medien

Die Digitalisierung hat neue Herausforderungen für die Meinungsfreiheit geschaffen. Phänomene wie Fake News, digitaler Hass und Hetze werden oft als Rechtfertigung für Einschränkungen der Meinungsfreiheit angeführt. [31] Diese Entwicklung zeigt, wie technologische Veränderungen neue Spannungsfelder zwischen Meinungsfreiheit und anderen gesellschaftlichen Werten schaffen.

Die Diskussion um SLAPP-Klagen (Strategic Lawsuits Against Public Participation) verdeutlicht eine weitere Bedrohung der Meinungsfreiheit. Im Jahr 2023 liefen in Europa mehr als 820 Einschüchterungsklagen gegen Journalisten, ein Phänomen, das auch in Österreich zu beobachten ist. [32] Diese Klagen zielen darauf ab, kritische Berichterstattung durch die Androhung kostspieliger Gerichtsverfahren zu unterbinden.

6.6 Internationale Vergleiche und Standards

Die Entwicklungen in Österreich müssen im internationalen Kontext betrachtet werden. Reporter ohne Grenzen warnte, dass „die Gefahren für Demokratie und Pressefreiheit in letzter Minute abgewendet werden“ konnten, was zeigt, wie fragil die Meinungsfreiheit auch in etablierten Demokratien ist. [33]

Die Forderung nach nachhaltiger Absicherung und Stärkung von Pressefreiheit und Meinungsvielfalt zeigt, dass die Herausforderungen nicht nur temporärer Natur sind, sondern strukturelle Reformen erfordern. [33] Diese internationale Perspektive verdeutlicht, dass Österreich Teil eines globalen Trends zur Einschränkung der Meinungsfreiheit ist.

6.7 Auswirkungen auf marginalisierte Gruppen

Besonders betroffen von den Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind marginalisierte Gruppen, die oft auf Proteste und öffentliche Meinungsäußerungen angewiesen sind, um ihre Anliegen zu artikulieren. Die zunehmende Kriminalisierung von Protesten trifft diese Gruppen überproportional, da sie weniger Zugang zu anderen Formen der politischen Einflussnahme haben.

Die Auflösung des Palästina-Protestcamps an der Universität Wien wurde von Amnesty International als Beispiel für die zunehmende Bedrohung der Meinungsfreiheit angeführt. [34] Solche Maßnahmen zeigen, wie politisch sensible Themen zu einer verschärften Anwendung von Sicherheitsgesetzen führen können.

6.8 Langfristige Folgen für die Demokratie

Die langfristigen Folgen der aktuellen Entwicklungen für die österreichische Demokratie sind noch nicht vollständig absehbar. Wenn sich jedoch das Verständnis von Meinungsfreiheit und Demonstrationsrecht fundamental wandelt, könnte dies zu einer dauerhaften Schwächung der demokratischen Kultur führen.

Die Warnung, dass „wenn das jüngste Vorgehen Schule macht, ist das Demonstrationsrecht in Österreich Geschichte“ [17], sollte ernst genommen werden. Die Erosion von Grundrechten geschieht oft schleichend und wird erst erkannt, wenn der Schaden bereits eingetreten ist.

7. Fazit und Empfehlungen

7.1 Zentrale Erkenntnisse

Die Analyse der Meinungsfreiheit in Österreich während Krisen- und Kriegszeiten offenbart ein komplexes Muster von Fortschritt und Rückschritt, das sich durch die gesamte österreichische Geschichte zieht. Mehrere zentrale Erkenntnisse kristallisieren sich aus dieser Untersuchung heraus:

Erstens zeigt die historische Betrachtung, dass Krisen regelmäßig als Rechtfertigung für die Einschränkung von Grundrechten herangezogen werden. Von der Kriegszensur des Ersten Weltkriegs über die autoritären Maßnahmen des Ständestaats bis hin zu den Demonstrationsverboten während der COVID-19-Pandemie folgt ein erkennbares Muster: In Zeiten der Unsicherheit wird die Meinungsfreiheit als verzichtbares Gut betrachtet, das den vermeintlich wichtigeren Zielen der Sicherheit und Ordnung geopfert werden kann.

Zweitens verdeutlicht die Untersuchung, dass temporäre Einschränkungen der Meinungsfreiheit oft zu dauerhaften Veränderungen in der politischen Kultur führen. Die während der Pandemie etablierten restriktiven Praktiken haben sich auf andere Bereiche ausgeweitet, insbesondere auf den Umgang mit Klimaprotesten und anderen Formen des zivilen Ungehorsams.

Drittens zeigt sich, dass die rechtlichen Schutzbestimmungen allein nicht ausreichen, um die Meinungsfreiheit zu gewährleisten. Trotz der verfassungsrechtlichen Verankerung und des Schutzes durch die EMRK ist Österreich führend bei den Verurteilungen wegen Verletzung der Meinungsfreiheit durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

7.2 Die Rolle der nationalen Sicherheit als Rechtfertigung

Die Berufung auf die nationale Sicherheit hat sich als besonders wirksames Instrument zur Rechtfertigung von Grundrechtseinschränkungen erwiesen. Diese Rhetorik ist jedoch problematisch, da sie oft vage bleibt und eine breite Interpretation ermöglicht. Die COVID-19-Pandemie zeigte, wie Gesundheitsschutz als neue Form der „nationalen Sicherheit“ interpretiert werden kann, um weitreichende Einschränkungen zu rechtfertigen.

Die Gefahr liegt darin, dass der Begriff der nationalen Sicherheit zunehmend ausgeweitet wird und praktisch jede gesellschaftliche Herausforderung als Sicherheitsproblem definiert werden kann. Dies führt zu einer Versicherheitlichung der Politik, die demokratische Deliberation durch technokratische Entscheidungen ersetzt.

7.3 Empfehlungen für den Schutz der Meinungsfreiheit

Basierend auf den Erkenntnissen dieser Untersuchung lassen sich mehrere Empfehlungen für den besseren Schutz der Meinungsfreiheit in Krisenzeiten formulieren:

7.3.1 Rechtliche Reformen

Verschärfung der Verhältnismäßigkeitsprüfung: Die Gerichte sollten bei der Bewertung von Grundrechtseinschränkungen eine strengere Verhältnismäßigkeitsprüfung anwenden. Insbesondere sollte geprüft werden, ob weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen und ob die Maßnahmen zeitlich begrenzt sind.

Stärkung der gerichtlichen Kontrolle: Die Möglichkeiten für eine schnelle gerichtliche Überprüfung von Demonstrationsverboten sollten ausgebaut werden. Eilverfahren müssen gewährleisten, dass Grundrechtseingriffe zeitnah überprüft werden können.

Abschaffung der Primärstrafen ohne Gerichtsverfahren: Die Praxis, Verwaltungshaft ohne vorherige gerichtliche Prüfung zu verhängen, sollte beendet werden, da sie fundamentale rechtsstaatliche Prinzipien verletzt.

7.3.2 Institutionelle Reformen

Unabhängige Überwachung: Eine unabhängige Institution sollte die Anwendung von Krisengesetzen überwachen und regelmäßig über deren Auswirkungen auf die Grundrechte berichten.

Parlamentarische Kontrolle: Die Rolle des Parlaments bei der Überwachung von Krisenmaßnahmen sollte gestärkt werden. Regelmäßige Überprüfungen und Verlängerungsverfahren können sicherstellen, dass Ausnahmemaßnahmen nicht zu Dauerzuständen werden.

Schulung der Sicherheitskräfte: Polizei und andere Sicherheitskräfte sollten regelmäßig in Grundrechtsfragen geschult werden, um ein besseres Verständnis für die Bedeutung der Meinungsfreiheit zu entwickeln.

7.3.3 Gesellschaftliche Maßnahmen

Stärkung der Medienvielfalt: Eine vielfältige Medienlandschaft ist essentiell für die Meinungsfreiheit. Maßnahmen zur Förderung unabhängiger Medien und zum Schutz vor Medienkonzentration sind notwendig.

Bildung und Aufklärung: Die Bedeutung der Meinungsfreiheit sollte stärker in der Bildung vermittelt werden. Ein besseres Verständnis für demokratische Werte kann dazu beitragen, die gesellschaftliche Unterstützung für Grundrechte zu stärken.

Schutz vor SLAPP-Klagen: Gesetzliche Maßnahmen gegen Einschüchterungsklagen können dazu beitragen, kritische Meinungsäußerungen zu schützen.

7.4 Die Bedeutung der Zivilgesellschaft

Die Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle beim Schutz der Meinungsfreiheit. Organisationen wie Amnesty International haben wichtige Arbeit geleistet, indem sie auf Missstände aufmerksam gemacht und die öffentliche Debatte angeregt haben. Diese Rolle sollte gestärkt und unterstützt werden.

Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Zivilgesellschaft selbst ein Bewusstsein für die Bedeutung der Meinungsfreiheit entwickelt und sich nicht von kurzfristigen Sicherheitserwägungen leiten lässt. Die Bereitschaft, auch unpopuläre Meinungen zu verteidigen, ist ein Gradmesser für die Reife einer demokratischen Gesellschaft.

7.5 Internationale Zusammenarbeit

Die Herausforderungen für die Meinungsfreiheit sind nicht auf Österreich beschränkt, sondern zeigen sich in vielen demokratischen Ländern. Eine verstärkte internationale Zusammenarbeit beim Schutz der Meinungsfreiheit ist daher notwendig. Dies kann durch den Austausch bewährter Praktiken, gemeinsame Standards und gegenseitige Überwachung erfolgen.

Die Rolle des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Kontrollinstanz sollte gestärkt werden, und seine Urteile sollten konsequent umgesetzt werden. Die hohe Zahl der Verurteilungen Österreichs zeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht.

7.6 Ausblick

Die Meinungsfreiheit steht vor neuen Herausforderungen, die sich aus technologischen Entwicklungen, gesellschaftlichen Veränderungen und globalen Krisen ergeben. Die Art, wie Österreich mit diesen Herausforderungen umgeht, wird entscheidend für die Zukunft der Demokratie im Land sein.

Es ist wichtig zu erkennen, dass die Meinungsfreiheit nicht nur ein individuelles Recht ist, sondern eine systemische Voraussetzung für das Funktionieren der Demokratie. Ihre Einschränkung schwächt nicht nur die Betroffenen, sondern die gesamte Gesellschaft. Die Lehren aus der Geschichte zeigen, dass der Schutz der Meinungsfreiheit eine kontinuierliche Aufgabe ist, die Wachsamkeit und Engagement aller gesellschaftlichen Akteure erfordert.

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie schnell sich die Rahmenbedingungen für die Meinungsfreiheit ändern können. Es liegt nun an Politik, Justiz und Gesellschaft, die richtigen Lehren aus dieser Erfahrung zu ziehen und sicherzustellen, dass die Meinungsfreiheit auch in zukünftigen Krisen geschützt bleibt.

Quellenverzeichnis

[1] Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, Art. 13 StGG. https://www.ris.bka.gv.at/eli/rgbl/1867/142/A13/NOR12000053

[2] Verfassungsgerichtshof Österreich: Grundrechte. https://www.vfgh.gv.at/verfassungsgerichtshof/rechtsgrundlagen/grundrechte.de.html

[3] Amnesty International Österreich: Freie Meinungsäußerung unter Druck. https://orf.at/stories/3391893/

[4] Österreichische Akademie der Wissenschaften: Die „vergessene“ Revolution von 1848. https://www.oeaw.ac.at/news/die-vergessene-revolution-von-1848

[5] DemokratieWEBstatt: Geschichte der Pressefreiheit in Österreich. https://www.demokratiewebstatt.at/thema/thema-pressefreiheit/pressefreiheit-und-demokratie/geschichte-der-pressefreiheit-in-oesterreich

[6] Universität Innsbruck: Die Beschränkung der Meinungsfreiheit. https://ulb-dok.uibk.ac.at/ulbtirolhs/download/pdf/5450479

[7] Habsburg.net: Zensur mit Tinte und Schere. https://ww1.habsburger.net/de/kapitel/zensur-mit-tinte-und-schere-und-das-auskundschaften-von-nachrichtenmaterial

[8] Wikipedia: Meinungsfreiheit. https://de.wikipedia.org/wiki/Meinungsfreiheit

[9] Demokratiezentrum Wien: Der autoritäre „Ständestaat“. https://www.demokratiezentrum.org/bildung/ressourcen/themenmodule/demokratieentwicklung/demokratiegeschichte-in-oesterreich-1918-1938/der-autoritaere-staendestaat/

[10] Wien Geschichte Wiki: Zensur. https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Zensur

[11] ORF: Medien in Österreich nach dem Krieg. https://newsv2.orf.at/stories/2275815/2275893/

[12] Demokratiezentrum Wien: Propaganda und Gegenpropaganda. https://www.demokratiezentrum.org/wp-content/uploads/2022/10/moser_propaganda.pdf

[13] Philaseiten.de: Österreich: Briefzensur nach 1945. https://www.philaseiten.de/thema/8998

[14] DemokratieWEBstatt: Österreichs Rolle im geteilten Europa. https://www.demokratiewebstatt.at/thema/thema-die-oeffnung-des-eisernen-vorhangs/oesterreichs-rolle-im-geteilten-europa

[15] Bundeszentrale für politische Bildung: Kalter Krieg, Neutralität und politische Kultur in Österreich. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/32264/kalter-krieg-neutralitaet-und-politische-kultur-in-oesterreich/

[16] Österreichisches Parlament: COVID-19-Maßnahmengesetz und Epidemiegesetz 1950. https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/SN/201913

[17] Profil: Rechtfertigt die Pandemie das Verbot von Demonstrationen? https://www.profil.at/oesterreich/corona-massnahmen-warum-das-verbot-von-demonstrationen-keine-gute-idee-ist/401183023

[18] Verfassungsgerichtshof: COVID-19-Gesetz ist verfassungskonform. https://www.vfgh.gv.at/medien/Covid_Entschaedigungen_Betretungsverbot.de.php

[19] ORF: Amnesty Österreich: Freie Meinungsäußerung unter Druck. https://orf.at/stories/3391893/

[20] Universität Wien: SPG Teil 1. https://staatsrecht.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/i_staatsrecht/Kopetzki/Unterlagen/Unterlagen_extern/SS/SPG_Teil_1.pdf

[21] RIS: Sicherheitspolizeigesetz § 2. https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10005792&FassungVom=2019-02-07&Artikel=&Paragraf=2&Anlage=&Uebergangsrecht=

[22] RIS: Sicherheitspolizeigesetz. https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10005792

[23] Universität Graz: Der Umfang des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. https://ssc-rechtswissenschaften.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/s_rechtswissenschaft/Doktoratsstudium_PhD/Expose1/NEU_OER_VerWR_VerfR/Der_Umfang_des_Grundrechts_auf_Versammlungsfreiheit.pdf

[24] Sozialministerium: Rechtliche Grundlagen und Meldung übertragbarer Krankheiten. https://www.sozialministerium.gv.at/Themen/Gesundheit/Uebertragbare-Krankheiten/Rechtliches.html

[25] Info für Ärzte: Epidemiegesetz. https://www.infofueraerzte.at/medizinrecht-praktisch/ix-sanitaetsrecht/2-epidemiegesetz

[26] Internet und Recht: Gesetz wider die Meinungsfreiheit. http://www.internet4jurists.at/news/aktuell85a.html

[27] Österreichisches Parlament: Meinungsfreiheit in parlamentarischem Ausschuss. https://www.parlament.gv.at/fachinfos/rlw/Meinungsfreiheit-in-parlamentarischem-Ausschuss

[28] ViennaLegal: Zensur in Österreich. https://www.viennalegal.at/wp/wp-content/uploads/2024/06/Extradienst_06_07_2009.pdf

[29] BMI: Resilienz des Rechts in Krisenzeiten. https://www.bmi.gv.at/Downloads/files/RESILENZ_DES_RECHTS_IN_KRISENZEITEN.pdf

[30] Der Standard: Kann Klimaaktionismus Straftaten rechtfertigen? https://www.derstandard.at/story/2000141055377/kann-klimaaktionismus-straftaten-rechtfertigen

[31] Österreichisches Parlament: Unsere Rechte. Grund- und Freiheitsrechte in Österreich. https://www.parlament.gv.at/dokument/fachinfos/publikationen/unsere_Rechte_Grundrechte_231123.pdf

[32] Amnesty International: SLAPP! Wie Einschüchterungsklagen unsere Meinungsfreiheit bedrohen. https://www.amnesty.at/news-events/news/slapp-wie-einschuechterungsklagen-unsere-meinungsfreiheit-bedrohen/

[33] Reporter ohne Grenzen: Pressefreiheit und Meinungsvielfalt nachhaltig absichern und stärken! https://www.rog.at/pm/pressefreiheit-und-meinungsvielfalt-nachhaltig-absichern-und-staerken-forderungen-an-die-neue-oesterreichische-bundesregierung/

[34] Der Standard: Amnesty sieht die Freiheit, seine Meinung zu äußern, in Österreich gefährdet. https://www.derstandard.at/story/3000000267461/amnesty-sieht-die-freiheit-seine-meinung-zu-aeussern-in-oesterreich-gefaehrdet

Über den Autor: Dieser Bericht wurde von Manus AI erstellt, einem autonomen KI-System, das auf umfassende Recherche und Analyse spezialisiert ist. Die Informationen basieren auf öffentlich zugänglichen Quellen und aktuellen Entwicklungen bis Juli 2025.

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