Warum informierte Entscheidungen in der Früherkennung so wichtig sind
Die Mammographie gilt als eine der zentralen Säulen der Brustkrebsfrüherkennung. Millionen Frauen in Deutschland erhalten regelmäßig die Einladung, an diesem Screening-Programm teilzunehmen. „Früherkennung rettet Leben“, heißt es in den Broschüren der Gesundheitsämter – und das stimmt im Grundsatz. Doch wie bei jeder medizinischen Maßnahme gilt: Der Nutzen geht mit Risiken einher, und die Entscheidung sollte individuell getroffen werden.
In diesem Beitrag geht es darum, was die Mammographie leisten kann, wo ihre Grenzen liegen und warum Aufklärung wichtiger ist als Automatismus.

Was ist das Mammographie-Screening?
Das Mammographie-Screening ist ein bundesweites Programm zur Früherkennung von Brustkrebs. Es richtet sich an Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, die alle zwei Jahre eine Einladung zur Röntgenuntersuchung der Brust erhalten. Ziel ist es, bösartige Veränderungen zu entdecken, bevor sie tastbar sind oder Beschwerden verursachen.
Die Untersuchung erfolgt in spezialisierten Screening-Zentren und wird von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Bei unauffälligem Befund erhält die Frau innerhalb von zwei Wochen eine schriftliche Mitteilung; bei Auffälligkeiten werden weitere Untersuchungen angeboten – meist eine Ultraschalluntersuchung oder Biopsie.
Der Nutzen: Früherkennung kann Leben retten.
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. In Deutschland erkranken jährlich rund 70.000 Frauen daran, etwa 18.000 sterben an den Folgen der Krankheit.
Studien zeigen: Durch regelmäßiges Screening wird der Krebs oft in einem früheren Stadium entdeckt. Dadurch steigen die Heilungschancen und viele Patientinnen benötigen weniger belastende Therapien.
Laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) verhindert das Screening pro 1.000 teilnehmenden Frauen etwa 1 bis 2 Todesfälle an Brustkrebs innerhalb von zehn Jahren. Diese Zahl klingt klein, bedeutet aber: Für jede einzelne betroffene Frau kann die Früherkennung lebensrettend sein.
Ein Beispiel:
Frau M., 56 Jahre alt, nahm an ihrem ersten Screening teil. Auf der Mammographie zeigte sich ein winziger Knoten, der sich als bösartig herausstellte – aber noch auf die Brustdrüse begrenzt war. Nach einer schonenden Operation und Strahlentherapie gilt sie heute als geheilt. Ohne Screening wäre der Tumor wahrscheinlich erst Monate später entdeckt worden, womöglich in einem fortgeschritteneren Stadium.
Die Schattenseite: Fehlalarme und Überdiagnosen
Doch die Mammographie ist nicht unfehlbar. Wie jede diagnostische Methode liefert sie falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse.
Falsch-positive Befunde
Etwa 6 von 100 Frauen erhalten nach einer Mammographie zunächst den Verdacht auf Krebs. Bei den meisten bestätigt sich dieser Verdacht nicht.
Das bedeutet: Viele Frauen durchlaufen Tage oder Wochen der Ungewissheit, oft mit belastenden Zusatzuntersuchungen – und am Ende steht Entwarnung.
Ein Beispiel:
Frau Möller, 52, erhielt nach ihrem Screening den Hinweis „Verdacht auf Gewebeveränderung“. Nach Ultraschall und Gewebeprobe stellte sich heraus, dass es sich um harmlose Zysten handelte. „Die Tage bis zum Ergebnis waren die schlimmsten meines Lebens“, sagte sie später.
Überdiagnosen
Ein weiteres Problem sind sogenannte Überdiagnosen: Dabei werden Tumoren entdeckt, die nie Beschwerden verursacht hätten – etwa weil sie extrem langsam wachsen oder vom Körper selbst kontrolliert werden. Trotzdem führen solche Befunde oft zu Operationen, Strahlen- oder Hormontherapien – also zu Behandlungen, die rückblickend nicht notwendig gewesen wären.
Schätzungen zufolge betrifft dies etwa 4 bis 10 von 1.000 gescreenten Frauen über zehn Jahre.
Das Risiko durch Strahlung
Eine Mammographie ist eine Röntgenuntersuchung – sie bringt also eine gewisse Strahlenbelastung mit sich.
Allerdings ist diese Dosis sehr niedrig: Sie liegt bei etwa 0,1 Millisievert pro Aufnahme, was ungefähr einer Woche natürlicher Umwelteinwirkung entspricht.
Das bedeutet: Das Risiko, durch die Strahlung selbst Krebs zu verursachen, ist sehr gering, aber nicht null. Bei der Entscheidung sollte es mitberücksichtigt werden, besonders wenn andere Risikofaktoren bestehen.
Warum informierte Entscheidungen zählen
Das Ziel der modernen Medizin ist nicht, jede Untersuchung reflexartig wahrzunehmen, sondern bewusst zu entscheiden, ob sie im individuellen Fall sinnvoll ist.
Die Einladung zum Screening ist kein Zwang, sondern ein Angebot. Jede Frau sollte sich fragen:
- Habe ich Risikofaktoren (z. B. familiäre Vorbelastung, genetische Mutationen)?
- Wie gehe ich mit möglichen Fehlalarmen oder Zusatzuntersuchungen um?
- Ist mir die Sicherheit durch Früherkennung wichtiger als das Risiko unnötiger Diagnosen?
Diese Fragen lassen sich am besten im Gespräch mit der Haus- oder Frauenärztin klären. Viele Praxen bieten strukturierte Informationsgespräche oder Broschüren an, die Nutzen und Risiken transparent darstellen.
Ergänzend: Eigenverantwortung bleibt wichtig.
Das Screening ersetzt nicht die eigene Körperwahrnehmung. Frauen sollten Veränderungen der Brust ernst nehmen – unabhängig vom Screening-Termin. Dazu gehören:
- neu tastbare Knoten,
- Einziehungen oder Verhärtungen der Haut,
- Blut oder Flüssigkeit aus der Brustwarze,
- plötzliche Größen- oder Formveränderungen.
Auch jüngere Frauen, die nicht am Screening teilnehmen, sollten solche Warnzeichen zeitnah ärztlich abklären lassen.
Fazit
Die Mammographie ist ein wertvolles Instrument der Krebsfrüherkennung – aber kein Allheilmittel.
Sie kann Leben retten, sie kann Fehlalarme auslösen und sie kann zu Überbehandlungen führen.
Die beste Entscheidung ist eine informierte Entscheidung:
Weder blindes Vertrauen in das Motto „Früherkennung rettet Leben“ noch pauschale Ablehnung bringen Sicherheit. Entscheidend ist, dass jede Frau ihre persönlichen Risiken kennt, Fragen stellt und gemeinsam mit ihrer Ärztin den individuell richtigen Weg findet.
Weiterführende Informationen:
- RKI – Brustkrebs-Früherkennung
- IQWiG – Vor- und Nachteile des Mammographie-Screenings
- Bundesgesundheitsministerium – Früherkennung von Brustkrebs